Der Körper und die Sprache 3: Sinn und Sinnlichkeit

 

Auf den ersten Blick haben „Sinn“ und „Sinnlichkeit“ nichts miteinander zu tun. „Sinn“: die Sphäre des Nachdenkens, Wissens,  Philosophierens. „Sinnlichkeit“: die Welt der Gefühle, Empfindung, vielleicht auch Erotik. Beiden Worten liegen unsere Sinne zugrunde, also das Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, das Empfinden der Berührung auf der Haut und die Wahrnehmung dessen, was im eigenen Körper vorgeht.

„Sinnlich sein“ bedeutet, die Eindrücke der eigenen Sinne bewußt wahrzunehmen und zu würdigen, vielleicht auch zu genießen: Der Schwall von Waldluft am Stadtrand, wenn man aus dem Bus steigt oder der Geruch von vollen Mülleimern, die offen stehen. Die Dunkelheit, die durch eine schwere Wolke in ein Zimmer fällt oder das intensive Grün junger Blätter am Strassenrand. Wind, der über die Haut streicht und Herzklopfen oder – kalte Füße.

Was hat das mit „Sinn“ zu tun? Die Sinne geben dem Wort „Sinn“ wirklich seine Grundlage: Sinn stellt sich ein, wo man in Berührung ist mit dem, was jetzt geschieht, in mir und um mich herum. Wo ich in Verbindung trete mit lebendigem Leben und mich als ein Teil dessen begreife. Wo ich mich mitnehmen lasse von dem, was mich innerlich und äußerlich bewegt. Das Wahrnehmen mit allen Sinnen, das zugleich immer schon Gefühl und Gedanke wird, läßt Verbindung halten zur Vielfalt der Wirklichkeit und ihrer Bewegtheit und Bewegung. Deswegen liegt in Sinnlichkeit so viel Sinn verborgen. Und kann in bewußter Sinnlichkeit viel Empfinden von Sinn entstehen.

Und nun noch eine Wahrnehmungsübung:

Sie sitzen auf einem Stuhl, mit dem Rücken möglichst nah an der Lehne.  Einen Fuß rücken Sie ein wenig vor, den anderen ein wenig  nach hinten, so dass Sie noch bequemer aufrecht sitzen können. Sie legen Ihre Handflächen auf Brusthöhe in der Luft zusammen und reiben dann beide Handflächen aneinander hoch und runter. Eine Weile versuchen Sie, ganz aufmerksam für die linke Hand zu sein: wie ihre Handfläche gerieben wird und sich die Hand zugleich nach oben und unten bewegt. Dann wechseln Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit über zur rechten Hand, wieder die Wahrnehmung der Handfläche und der Bewegung. Lassen Sie währenddessen Ihren Atem weiter fließen. Nach einer Weile lassen Sie die Bewegung Ihrer Hände kleiner werden und sie klingt mit aneinandergelegten Händen aus. Spüren Sie dabei, wie Sie jetzt Ihre Handflächen empfinden.

Wenn Sie jetzt noch weitermachen wollen, können Sie mit einer Handfläche  sehr langsam über den Handrücken der anderen Hand fahren und dann weiter in Zeitlupe den Arm hinauf bis zu Ihrer Schulter, über Ihren Nacken und die linke Seite Ihrer Brust. Nehmen Sie die Berührung Ihrer Handfläche auf der Haut wahr und bleiben Sie sensibel in der Wahrnehmung für Ihren Arm, wenn Ihre Hand weiter nach oben streicht. Lassen Sie Ihren Atem gleichzeitig in seinem Rhythmus fließen oder sich auch von selbst verändern. Wenn Ihre Hand sich zuletzt von Ihrer Brust löst, sitzen Sie einen Moment und versuchen, die Berührung von Handrücken, Arm, Schulter, Nacken und Brust nachzuempfinden. Dann können Sie das Gleiche auf der anderen Seite wiederholen.